28 Years Later

 

Director Danny Boyle

UK 2025 I FSK 18 I 115 Min

 

With Aaron Taylor-Johnson I Alfie Williams

Ralph Fiennes I Jodie Comer

Edvin Ryding I Emma Laird

 

Studio TSG Entertainment I British Film Institute 

Budget $ 60 Million

„There‘s no discharge in the war!“

Die ganze Welt ist eine schmale Brücke, das Leben ist vergänglich, bisweilen unsicher, das wichtigste aber ist: keine Angst zu haben. Wir alle sind auf der schmalen Brücke des Lebens unterwegs und müssen uns unseren Ängsten stellen und versuchen sie zu überwinden. Doch nicht nur dieses Mantra soll uns in Danny Boyles Apokalyptisches England der heutigen Zeit zum treuen Begleiter werden, es gibt noch so viel mehr mit dem es sich auseinander zu setzen gilt. Boyle beschwört zum wiederholten Male zusammen mit Co-Drehbuchautor Alexandr Garland nach 2007 mit 28 Days Later, die Infizierten Apokalypse. Dieses Mal versuchen beide jenseits der Moral, das auszuloten, was Nietzsche mit Jenseits von Gut und Böse bezeichnete. Verschiedene Gruppierungen von Menschen folgen ihrer ganz eigenen Vorstellung von Moral, die sie sich auferlegt haben, in einer Welt in der Kategorien wie unrecht und recht, Gut und Böse, keine Anwendung mehr finden. Soldaten, Siedler, Infizierte und ein Arzt bilden jeweils eine der Facetten in diesem Spektrum ab. Gemeinden, Kommunen sowie Zweckgemeinschaften erschaffen eigene Moralvorstellungen zum Schutze des Gemeinwohls, auch wenn das im Zweifel bedeutet, dass ein einzelnes Leben seinen Wert verliert und im Worst Case seinem Schicksal überlassen wird. Aufs Überleben getrimmte, patrouillierende Soldaten, unterscheiden beim Exekutieren nicht zwischen Neugeborenen und Erwachsenen, die Null Toleranz Politik, ist hier fest in ihrer Moral verankert um ihrerseits das eigene Überleben zu sichern, in der für sie als feindselig bezifferten Umgebung. All das birgt eine Gefahr: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag darauf achten, nicht selbst zum Ungeheuer zu werden. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Damit spricht Nietzsche eine Warnung aus, an all diejenigen, die da draußen umherstreifen, flankiert von Infizierten und Menschen. Er mahnt davor nicht das zu werden, was man bekämpft, wer sich selbst mit Hass und negativen Dingen verzehrt, sieht auch nur noch das in der Welt. Doch wie mit den Infizierten umgehen? Boyle bietet hier einige Möglichkeiten an, ohne zu kommentieren oder abzuwägen. Und über allem scheint ein weiteres Mantra zu schweben, welches eng mit der Perspektive Nietzsche verbunden ist, wenn er die Wahrheit als ein perspektivisches Konstrukt ansieht welches von individuellen und kulturellen Perspektiven abhängig macht und das sich ständig im Wandel befindet. Je nach eigener Perspektive verhalten sich Gruppierungen eben wie sie es tun, Boyle zeigt dieses unterschiedliche Verhalten immer wieder, bewertet aber nicht, weil hier jenseitig von Kategorien gedacht werden muss, jenseits von Gut und Böse. Wahrheit ist immer auch eine Interpretation der Umstände.

Exakt 28 Jahre sind vergangen, seit der hochansteckende Rage Virus aus einem Forschungslabor entweichen konnte. Eine Gruppe von Überlebenden hat auf einer idyllischen kleinen Insel namens Lindisfarne, wenige hundert Meter vor der Küste Britanniens Zuflucht gefunden. Mit dem unter Quarantäne stehenden Britischen Festland nur verbunden durch einen schmalen Damm, der sein Antlitz nur bei Ebbe zeigt. Der Rest der Welt lebt sein Leben weiter, hier wurde das Virus ausgemerzt. Britannien steht unter Quarantäne, kontrolliert durch einige patronierende Soldaten. Am 12. Geburtstag von Spike (Alfie Williams) brechen er und sein Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) auf, um für den Initiationsritus der Gemeinde, Infizierte zu jagen. Was sie dabei entdecken ist gleichermaßen Grausam wie Erhaben. Nach einer unfreiwilligen Übernachtung in einem alten Gemäuer entdeckt Spike ein hell leuchtendes Feuer in weiter Ferne, welches sich später als menschengemacht herausstellen soll. Isla (Jodie Comer) Spikes Mum ist auf medizinische Hilfe angewiesen, die weder auf der Insel noch auf dem Festland zu finden ist. Spike gelangt durch Zufall in Kenntnis vom in der Wildnis lebenden Doktor (Ralph Fiennes), der für das Feuer verantwortlich zu sein scheint. In ihm entfacht das die Hoffnung auf Rettung seiner Mum. Die beiden brechen verbotenerweise auf, zur vermeintlichen Rettung. Ganz zum Ärger von Jamie, der stets versuchte zu verbergen, was Spike nun Hoffnung spendet.

Wahr ist, was das Leben fördert

Um hinter die Illusion blicken zu können, die Jamie für seinen Sohn errichtete, bedurfte es schon die mithilfe des redseligen Großvaters, der Spike die Wahrheit offenbarte. Hier befinden wir uns bereits am ersten Scheideweg unserer Protagonisten, die sich mit der Frage konfrontiert sehen, was ist Wahrheit und warum streben wir überhaupt irgendeine Wahrheit an? Letztendlich scheint es ja nur darum zu gehen, das zu wissen und zu glauben, was das Leben weiterbringt. Es im Fluss hält. Manchmal lebt es sich vielleicht scheinbar besser mit Illusionen. Danny Boyle inszeniert hier bewusst nicht einen weiteren Film der Reihe nach dem Duktus, mehr Blut, mehr Gedärm, mehr Horden an Infizierten, mehr Bombast, nein, er entscheidet sich dafür eine klassische Coming of Age Geschichte zu erzählen, in der es darum geht, erwachsen zu werden, inmitten einer Infizierten Welt. Im Vergleich zu 28 Days Later variiert Boyle lediglich hier und da ein wenig das Geschehen unter anderem indem er 2 Mutationen von Infizierten dem Setting hinzufügt, das sind namentlich, die kriechenden „Langsamen“ und die „Alphas“, die etwas stärker, schlauer und grausamer zu sein scheinen als der Rest der etablierten Wutbürger aus den anderen Teilen. Leider wird durch einige Story Elemente, Teil zwei der ursprünglichen Reihe, ad absurdum geführt, was zu einigen Ungereimtheiten führen kann. In 28 Weeks Later wird darauf verwiesen, die Infizierten seien verhungert, was zu einem Anschlussdilemma führt und bei genauerer Betrachtung per se auch zur Destabilisierung des Mythos der Wütenden.

Jamies Vater ist der Meinung, dass die Erschaffung einer Illusion, der Wahrheit überlegen ist, so will er auf seine eigene Weise Spike behüten vor der vermeintlichen schmerzlichen Wahrheit über die Welt, den Infizierten, dem Gesundheitszustand seiner Mutter, dem Doktor in der Wildnis oder den Verfehlungen die er selbst einige Male begeht. Um dieses Illusion aufrecht zu erhalten verbreitet er auch gerne mal alternative Wahrheiten, wenn es um Abschüsse beim Initiationsritus geht, bei dem Spike entgegen seiner Darstellung, die er beim anschließenden Fest mal erzählt, versagt hat. Jamie handelt im Sinne von Nietzsche, der einfordert, dass das Fälschen des Lebens eine notwendige Bedingung für das Überleben ist. Dabei stellt er die Vorstellung in Frage, dass Wahrheit universell von Vorteil ist. Das Streben nach Wahrheit führt nicht unbedingt zu einem erfüllten Leben. Nietzsche stellt die Frage, ob nicht Unwissen für ein gelingendes Leben hilfreicher sein könnte. Wahrheit ist subjektiv und von individuellen Perspektiven beeinflusst. In welche Kategorie würde sich nun das Verhalten von Jamie einordnen lassen, oder regt uns hier Boyle abermals dazu an, jenseits von Gut und Böse zu denken? Jamie tut es am Ende des Tages aus Liebe zu seinem Sohn und dies lässt sich laut Nietzsche nicht in Kategorien einordnen.
"Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse."

Dass eine Illusion eben nicht die objektive Wahrheit abbildet lernt Spike, auf die schmerzlichste aller Arten kennen als er auf den Doktor trifft, der ihm unverblümt die Wahrheit über den Krankheitszustand seiner Mutter übermittelt. Es ist für Spike der Übergang ins Erwachsenen Alter, wenn schlagartig, die Welt nicht mehr dieselbe ist und die Kindheit endet, mit der Erkenntnis von Wahrheit. Spike sieht sich hier zweierlei väterlichen Figuren gegenüber, der einen, des leiblichen Vaters, der ihn durch die Kindheit begleitete, der ihn umhüllte mit einer Illusion. Und der anderen, die den Part des Erwachsen Werdens begleitet, in Form des Doktors, die ihm Wahrheiten kredenzt. Doch entgegen der Befürchtung Nietzsche, ist das verkünden der Wahrheit durch den von Ralph Fiennes, gefühlvoll gespielten Charakter, nicht der kälteste Moment im Film sondern der absolut wärmste, gefühlvollste und schrecklich schönste im gesamten Film. Wenn wir uns an Boyles Film Sunshine aus dem Jahr 2007 erinnern, können wir auch hier das Trademark vom Register identifizieren. In der Grausamkeit des Endlichen, schafft es der Regisseur immer wieder das Schöne zu zeigen. In Sunshine ist es der Moment kurz bevor Chillán Murphy von der unaufhaltsamen alles vernichtende Sonne umschlossen wird. Kurz bevor er zu verbrennen droht, gibt es diesen einen grausam schönen Moment den Boyle dem Zuschauer schenkt. Wenn auch nur für einen kurzen Wimpernschlag lang. In 28 Years Later wird Boyle dieses Trademark widerholen. Wenn in einem kurzen Augenblick das Grausame beiseite rückt und sich der schaurig schöne Moment bahn bricht. Musik, Bildsprache und die durchdringenden Augen von Fiennes kreieren hier eine Montage die für einen kurzen Augenblick vergessen lassen welch trauriges Schicksal hier alle Beteiligten miteinander verbindet. Das Grausame ist eine notwendige Bedingung für die Entstehung des Schönen. "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker." Herausforderungen und Schmerz, die als grausam empfunden werden, tragen zur Entwicklung von Stärke und Widerstandsfähigkeit bei. Was genau dem entspricht was Spike auf dem Weg zum Erwachsenen werden widerfährt und ihm die Chance bietet sich zu emanzipieren.

Ralph Fiennes erweist sich hier als Hoffnung spende Kraft in einer sonst hoffnungslos, feindseligen Umgebung. Der Glaube daran, die Menschheit sei noch nicht ganz verroht, manifestiert sich in ihm. Seine Moral ist eine Facette im Fächer der verschiedenen Gruppierungen, die wir im Lauf des Films kennen lernen dürfen. Er scheint den Mensch hinter dem Virus, zu sehen. Sein Ansinnen ist es ihn ehren zu wollen, sein Moral verbietet es ihm, Infizierte, die für ihn immer noch Menschen sind, zu töten, auch wenn das zur Konsequenz hat durch die Hand oder besser gesagt den Mund eines solchen zu Tode zu kommen und oder infiziert zu werden. Sein Mantra dass sein Handeln bestimmt, lässt ihn das Leben wie es jetzt ist ertragen, ohne Angst oder Groll. Memento Mori - Bedenke das du sterben wirst, ob durch Krankheit, Gewalt oder Altersschwäche, das Leben nimmt seinen Lauf. Um all dem Ausdruck zu verleihen errichtet er einen riesigen Berg von Totenköpfen, ein Vanitas-Symbole, das den Betrachter dazu anregt, sich auf spirituelle Werte zu konzentrieren und nicht auf vergängliche Dinge zu fixieren. Memento Mori – Bedenke, dass du sterben musst. Jener Berg von Totenköpfen der die Leinwand bereithält für den atmosphärischten Moment im Film.

Das nicht alle der gleichen Moral folgen, wird schon früh im Film klar. Auch hier finden wir wieder Nietzsche, der mit einem Gedankenexperiment, dazu anregt das eigene Leben und handeln zu überdenken. Hierbei stellt er sich vor, dass ein Dämon erscheint und uns mitteilt, dass unser Leben, so wie wir es jetzt leben, sich unendlich oft wiederholen wird, mit allen Freuden und Leiden. Die Frage ist: Würden wir dieses Leben, mit allem was dazu gehört, immer wieder so erleben wollen?

Dieses Gedankenexperiment lädt dazu ein, das Leben so zu gestalten, dass die Frage jederzeit wieder mit ja beantwortet werden kann. Es geht darum, jede Erfahrung, auch die schmerzhaften, als wertvoll zu erkennen und anzunehmen. Die Idee der ewigen Wiederkehr ist eng mit dem Konzept des Amor Fata verbunden, der Liebe zum Schicksal. Wenn wir unser Schicksal annehmen und bejahen, auch wenn es schwierig ist, dann können wir die ewige Wiederkehr als etwas Positives sehen. Die Personifizierung diese Gedanken die Nitzsche in Worte fasste, ist die Figur des Doktors. Er lebt sein Leben bewusst und nimmt die Einladung an zur Bejahung des Lebens, in all seinen Facetten und Widrigkeiten. Und natürlich auch zur Liebe zum eigen Schicksal.
Statt zu sagen, was gut oder böse ist, fordert Nietzsche auf, zu hinterfragen, warum bestimmte Dinge als gut oder böse betrachten werden, dabei fordert er auf sich von der herrschenden Moral zu befreien. In 28 Years Later zeigt die Figur von Ralph Fiennes wie es gelingen kann, abseits der herrschenden Moral der befestigten Insel zu existieren. Spike wird es ihm später gleich tun, in Folge seiner Entwicklung. Ganz im Sinne von Nietzsche der fordert seine eigenen Werte zu schaffen und nicht einfach vorgegebene Moralvorstellungen zu übernehmen. Er geht noch weiter und hält es für unsere Pflicht neue Perspektiven, die über die binäre Unterscheidung zwischen Gut oder böse hinausgeht, einzunehmen.

Ein etwas überdreht wirkender Boyles inszeniert in 28 Years Later mit geschickte Montagen, sowie verschiedenste Kamera Techniken die sich ständig abwechseln, wunderschöne Momenten des Stilstandes der Natur. Boyle hält dabei immer ein wenig zu lange mit der Kamera fest, was eigentlich nicht festgehalten werden kann, Sonnenuntergänge als Leinwand für rasende Infizierte, eine staub aufwühlende Büffelherde oder die Schönheit die sich in einer Eiche Manifestiert umzingelt von einer Infizierten Horde. Manchmal scheint es so als wolle er einfach nur den Moment festhalten, der so schaurig kontekariert welch Schönheit in der Postapokalyptischen Welt zu finden ist, wenn man nur genau hinsieht. So verliebt Boyle in seine Anmutenden Atmosphärischen Passagen des Films zu sein scheint, so hält es ihn keineswegs davon ab immer wieder aufs Tempo zu drücken. Das aus dem Millionenfach geklickten Trailer bekannte Lied Boots, das in Wahrheit ein Marschgedicht ist das die Verzweiflung und Erschöpfung der Menschen andeutet, die 28 Jahre nach dem Ausbruch immer noch gegen das Zombie-Virus und um ihr Überleben kämpfen, begleitet Jamie und Spike in düsteren Bildern und Gegenschnitten von Armeen bei ihrem Marsch aufs Festland. Besonders unheimlich ist die Aufnahme, weil darin tatsächlich das verzweifelte Jammern eines Toten zu hören ist. Das Gedicht handelt von den monotonen, unaufhörlichen und mit der Zeit an Wahnsinn grenzenden Gedanken eines britischen Soldaten, der während des Zweiten Burenkriegs in Südafrika marschiert. In der Aufnahme wird das „Boots“-Gedicht aus Sicht der erschöpften und verzweifelten Gedanken eines Soldaten, der von den Strapazen und Entbehrungen seiner Militärzeit erzählt. Das Gedicht steigert sich von körperlicher Erschöpfung bis hin zum völligen psychischen Verfall, genau wie die Stimme, die die Zeilen erst rufend und schließlich jammernd und schreiend vorträgt.


Die wiederholte Zeile „Boots—boots—boots—boots—movin‘ up and down again“ vermittelt das Gefühl von endlosem Marschieren ohne Ruhe oder ein Ende in Sicht und erzählt, wie die Soldaten versuchen, sich abzulenken vom nerv tötenden Rhythmus und der Bewegung der Stiefel. Im richtigen Tempo vorgelesen, soll der Rhythmus die typische Marschgeschwindigkeit einer Infanteriekolonne imitieren. Aber nicht nur Boots trifft musikalisch den Ton des Films auch der weitere Soundtrack ist on Point. Man hat nie das Gefühl einer wahllosen Aneinanderreihung von Songs zu lauschen, eher das Gefühl die Musik wirke wie ein Brandbeschleuniger zu den teils grandiosen Bildkompositionen. Musik war und ist Boyles Steckenpferd, besonders zu erwähnen wäre der Track: Promised Land von Young Fathers, welches prominent im Film zu hören ist.

Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. 28 Years Later hätte so vieles sein können. Final ist es eine Comig of Age Geschichte geworden, die leider wie ein Zwischenstück auf einer Reise wirkt, die es noch zu erleben gilt, aber sich noch in weiter Ferne befindet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stand bereits fest, dass 28 Years Later der erste Teil einer neuen Trilogie werden soll, die bereits abgedreht war. Und genau so fühlt es sich auch an, es fühlt sich wie ein loser Faden an, eingebettet in einen Kosmos der zum Franchise ausgebaut werden soll, ähnlich der Strategie von Marvel, bei denen man immer weiter schaut aber nie zum Ende kommt, weil der vorherige Teil immer die Vorgeschichte des Kommenden Film bildet. Zahlreiche Stränge die nicht auserzählt werden und einem Ende, das laut eigener Aussage des Regisseur bewusst provozieren sollen graden das Infizierten Märchen etwas ab. Der Note auf dem der Film endet wird einigen als einen unnötigen Stilbruch ein Dorn im Auge sein, anderen wird es Lust auf mehr machen. Nicht Briten werden hier sowieso ihre Schwierigkeiten haben beim finalen Twist. Dort wird auf den britischen Komiker Jimmy Carr angespielt, der den wenigsten Europäern etwas sagen wird, dessen plötzliches Erscheinen bildet einen gewagten Gegenpol zu der ansonsten von Gefahr und Zerstörung beherrschten Welt. Entschließt man sich den Film zu schauen, muss klar sein, dass es sich hier nur um ein Stück des Weges handelt, einen Zwischenstopp auf dem Weg zum zweiten Teil. Es unterscheiden sich leider nicht nur Kameraeinstellungen von einer Szene zur nächsten sondern das gleiche gilt auch für manch nicht so recht passende Szene im Film, die wie ein Fremdkörper im Film wirkt, weil sie entweder wie bei der Eröffnungsszene des Priesters unfreiwillig zum Lachen anregt oder zum Kopfschütteln beim x-ten Klischee des Horror Genres das Boyle hier ungeniert bedient. Stichwort, rückwärtslaufender Soldat.

28 Years Later hat leider nicht mehr ähnlich interessantes beizutragen, wie seiner Zeit 28 Days Later, vor 23 Jahren, der damit die Ära der laufenden Infizierten einläutete. Man muss den Machern dennoch Respekt zollen für ihre Entscheidung, entgegen der Erwartung des Zuschauers zu inszenieren, der nach einem weiteren Ableger durstete im Stile der vorherigen Teile, mit der Erwartung einen weiteren Infizierten Film zu bekommen, der noch einmal blutiger und größer daher kommt als der letzte. Das Team entschied sich dafür, einen kleineren, fast familiäreren Film zu inszenieren, der entgegen der Vorgänger auch auf der emotionalen Schiene seine Punkte macht. Fast ungewöhnlich, verortet man im Hororrgenre eher weniger das aufkeimen von emotional aufgeladenem storytelling. Entgegen der Strömung zu schwimmen birgt auch die Gefahr an den Kassen zu floppen. Joker Folie a Deux dient hier als mahnendes Beispiel, das völlig an den Kassen floppte, aufgrund nicht eintreffender Erwartungen seitens des Konsumenten. 28 years later wird dieses Schicksal wohl erspart bleiben, dafür gibt es zu viel zu sehen, zu viel zu ergründen und abzuwägen. Boyle spart auch teilweise nicht mit einer wuchtigen Härte, die mal im Off mal on Screen ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Entscheidung einzelne Kills in eine Art Bullet Time ähnlich der Matrix reihe zu kleiden, die mit Hilfe von I-phones aufgenommen wurde, wirkt oft deplatziert und ist das Ergebnis wenn Boyle frei drehen kann.

28 Years Later ist ein Film, der primär über eine dichte Atmosphäre und Bildsprache funktioniert, in die man all zu leicht gesogen wird. Es ist ein bisschen wie bei einem modernen Kunstwerk, objektiv gesehen gibt es hier nicht die eine Wahrheit, jeder sieht subjektiv etwas anderes darin. Boyle bietet das gleichermaßen an, sucht man Logiklöcher, Horrorklischees und Plot Holes wird man genauso fündig, wie wenn man nach den schönen Dingen Ausschau hält. Boyle hat einen Film geschaffen der gefühlt werden möchte, jenseits von Kategorien die ihn versuchen einzuordnen. Vielleicht hat er damit recht und wir sollten uns dabei an Nietzsche orientieren der Wahrheit immer als eine Frage der Interpretation und Perspektive begriff.