Als Michael Bays erster abendfüllender Spielfilm mit dem Titel Bad Boys- Harte Jungs, 1995 das Licht der Cineplex erblickte, erschien im selbigen Michael Manns Master Peace: Heat. Damals war Michael Bay 30, ebenfalls fast 30 Jahre später viel irgendwann in Bays Hirnwindungen die Entscheidung, das jenem vor langer Zeit gedrehtem Film mit Robert de Niro, indem der legendärsten Shootout in einer Innenstadt zelebriert wurde noch etwas Entscheidendes fehlte. Etwas aufregendes Neues um ihn in die heutige Zeit zu transformieren. Etwas was zu dieser Zeit nur schwerlich umsetzbar war. Etwas dachte sich Michael Bay was diesen Shootout noch runder, fantastischer und spannender machen würde. Was dieses etwas war ist schon nach wenigen Sekunden in Ambulance als etabliertes Stilmittel zu identifizieren: Der Drohnenflug.

Baymania Overkill

Doch nur weil man etwas Stand der Technik kann, muss man es nicht gleich tun. Die Drohne, mit derer Augen wir die Welt des Michael Bay erforschen, entpuppt durchaus als erfrischendes Gimmick. Wandelt sich im Laufe der fortschreitenden Filmlänge zur überdrüssigen Spielerei ohne Mehrwert für den Zuschauer. Den Überblick des Geschehens den der Zuschauer allzu oft in seinen früheren Werken verliert bleibt in Ambulance dankenswerterweise erhalten. Warum aber eine gut gewählte Kamera Positionierung, so essentiell für das unterstreichen von Stimmungen und bilden einer Atmosphäre ist führt uns Ambulance mit aller Gewalt brutal vor Augen. Hier verkommt die Kameraführung zum Spektakel für die Augen. Was anfänglich noch Interesse weckt ob der neuen Möglichkeiten gerät schnell zu nervigen oder ermüdenden Begleiterscheinung. Die Dosis der Droge macht das Erlebnis, hier steht sie in einem unangenehmen Verhältnis von rotierender wilder Kamerafahrten und Bildern die allein für sich sprechen. Wie man eine mobile, sich ständig bewegende, Hochhaus runter, Hochhaus runter Kamera mit Emotionen verknüpft wird am deutlichsten spürbar in Gaspar Noes Irreversible. Tony Scott hätte seine wahre Freude am immer wiederkehrenden heran und rauszoomen. Es stellt sich nun die Frage was vorher da war, Die Drohne oder die Idee zu einem Film dieser Art. Der Verdacht legt nahe: Die Drohne.

Dauerwerbesendung

Ob sich Michael Bay die zu Anfang erwähnte Shootout Szene nun wirklich selbst neu zusammenbasteln wollte mit seiner ganz persönlichen Note oder bleibt Spekulation, sicher ist nur das Ambulance lose auf einem dänischen 75 Minüter basiert. Indem es sich um zwei Bruder handelt, die eine Bank überfallen, um mit dem geraubten Geld ihrer Mutter eine lebenswichtige Behandlung zu ermöglichen. Geflüchtet wird in einem Krankenwagen. Diese Idee des dänischen Regisseurs Laurits Munch-Petersen dehnt Michael Bay in seinem quasi Remake auf 136 Minuten aus. Was natürlich nicht ohne Folgen bleibt denn die lange Laufzeit will mit Leben gefüllt werden. Hier entstehen Probleme die Bay mit Drohnentechnik oder allerlei technischen Equipment nicht vertuschen kann. Die Grund Prämisse, Verfolgungsjagd bietet wenig Überraschendes. Mitte des Films entsteht ein Vakuum, das immer mit denselben Bildern von zugegebenermaßen schick in Szene gesetzten Dodge Polizeiwagen handelt die einen Krankenwagen verfolgen. Scheinbar ist die Anzahl der in LA verübten Delikte, die eine Verfolgungsjagd nach sich ziehen dermaßen in die Höhe geschossen, dass sich das LAPD gezwungen sah eine Sonder Abteilung zu gründen die sich nur mit solchen Delikten befasst. Mit einer Armada an PS starken Dodge die nicht besser in einem Werbespot erstrahlen könnten platziert hier Bay wieder einmal mehr eine prominente amerikanische Automarke. Hier zeigt sich das Händchen des Bay für Werbeclips.

Gefühlskino

Am besten wird deutlich welche Atmosphäre hier kreiert wird, wenn man es wie ein Protagonist im Film schon anmerkte mit einer GTA Verfolgungsjagd auf 5 Sterne vergleicht. Immer den Fuß auf dem Pedal, keine Verschnaufpausen, keine Gnade. Erfrischend neu scheint in Bays Repertoire die eingeflochtene Sozialkritik an den Verneigten Staaten von Amerika, So ist es die vom Staat im Stich gelassene Arbeiterklasse denen er die Daumen festdrückt. Jene die sich von ihrem, per Grundgesetz verankerten Versprechen des American Way of life, veräppelt fühlen. Aufrechten Menschen, die ohne viel Pathos versuchen das Richtige zu tun. Hier scheint es so als hätte Bay auf seine alten Tage noch etwas mit seinen Filmen zu sagen, abseits des so gerne von ihm propagierten

American Way of life, der immer im Subtext seiner Filme mitschwingt. Oder dies nur Fassade? Um uns auf der Gefühlebene auf die falsche Fährte zu führen? Den Falschen die Daumen zu drücken?

Nehmen wir den angeschossenen Polizisten, der mit den Brüdern, gespielt von Jake Gyllenhaal (skurril drüber) und Yahya Abdul-Mateen II (menschelnd) und Eiza González (unterkühlter Megan Fox Ersatz) der Krankenschwester im Krankenwagen festsitzt. Der einzige Grund warum die Entführung nicht schon längst gewaltsam beendet wurde ist jener Polizist, der Kollege. Sein Leben gilt es zu retten, zu schützen, koste es was es wolle von Seiten der Polizei aber auch auf Seiten der Entführer Brüder ist man erstrebt am Überleben des Staatsbeamten, da der Tod Ärger bedeuten würde. Kollateralschäden wie die von umherfliegenden Autoteilen getroffenen Passanten oder im Verkehrschaos verletzte Verkehrsteilnehmer werden dafür gerne in Kauf genommen. Ist das Leben dieses einen Individuum schützenswerter als das der Passanten aus Sicht der Polizei? Oder das Leben der auf der Verfolgungsjagd verstorbenen Polizisten? Hat man als Entführer seine Daseinsberechtigung als Mensch verwirkt und wird nur noch als Kollateralschaden verbucht. Als bloße Zahl in einer Datenmenge? Wer entscheidet zwischen Menschen als Datensatz und dem Menschen aus Fleisch und Blut? Der menschliche Anker in Ambulance mit dem man sich identifizieren soll, mitfühlen soll, ist die von Yahya Abdul gespielte Figur des Kriegsheimkehrers, die scheinbar einem höheren Ziel dient, der krebs Behandlung seiner Frau. Doch sind es falsche Gefühle, die uns Bay hier unterjubelt. Es gibt nichts Richtiges im Falschen. Ein Banküberfall ist niemals eine adäquate Lösung, leichter fällt scheinbar das Urteil über den manischen Jake Gyllenhaal zu fällen. Der erst gar nicht darauf hofft das der Staat im hilft sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt. Aber ist es so einfach mit der Unterscheidung, wer Böses tut, wer nicht? So muss man doch sehr aufpassen welche Gefühle man entwickelt, Richtig und Falsch hängt eben nicht an Gefühlen, wie es Bay verkaufen möchte. So ist das im Film als Manko gekennzeichnete kühlheit der Ärztin ihrer Professionalität geschuldet. Ohne Distanz oder der scheinbaren Gefühlskälte wäre sie kaum in der Lage ihren Job zu tun. Also wohin mit den Gefühlen in Ambulance?

Ambulance ist nicht der schlechteste Film in Bays Oeuvre. Es ist einmal mehr ein bisschen zu viel des Guten auf einer technischen Ebene. Als könne er einmal angefangen zu spielen nicht mehr Inne halten mit technischen Spielereien. Wenngleich hier im Gegensatz zum üblichen Bayschen CGI Gewitter, hier erfreulicherweise wieder viel Handarbeit angesagt war. Bay zitiert sich sogar mehrmals selbst in Gesprächen zweier Polizisten um auch nochmal die Boomer Generation mit ins Boot zu holen die vor 30 Jahren im Kino The Rock erleben durften. Jenem Film mit Sean Connery, der wenn man es nicht besser wüsste einen gealterten FSK 18 Bond zeigt den es leider nie gab in der offiziellen Reihe. Am Ende bleibt die Erkenntnis die schon Robert de Niro in Heat und Al Pacino hatten welche auch für Michael Bay gilt: "Ein ziemlich wildes Leben, oder?" - "Es ist nun mal wie es ist. Entweder so, oder wir müssen uns nach was anderem umsehen." - "Ich habe nichts anderes gelernt." - "Ich auch nicht."