David Leitch / USA 2022 / 127 Min. / FSK 16

mit Brad Pitt / Brian Tyree Henry / Aaron Taylor-Johnson / Joey King

 

Sony Pictures / Budget: 90 Mio. $

 

John Wick Regisseur David Leitch beschwört in Bullet Train den Laplace’schen Dämon herauf, dabei bestimmt er die Zukunft seiner Figuren aus ihrer Vergangenheit. Genauer gesagt verläuft die Handlung des Films, genau wie der titelgebende Zug, auf verlegten Schienen, hinein in sein unausweichliches Schicksal. Die herauf Beschwörung des Dämons ist die Abkehr vom Zufall und dem Glauben an ein Deterministisches Weltbild, aus dem es kein entkommen gibt. Etwas prätentiös dem Zuseher ins Gesicht gepresst durch das Narrativ eines Zuges, denn gibt es kaum ein deterministischeres Fortbewegungsmittel als jenes Vehikel. Dieser Umstand schmälert jedoch keineswegs den Filmgenuss. Bullet Train macht sich dabei jederzeit die Prämisse der enge des Zuges zu Nutze. Kein Entkommen, kein zurück. Straight Forward rast diese Geschichte unentwegt in immer dieselbe vorbestimmte Richtung. Endstation Schicksal.

 

Der Laplace’sche Dämon, der nach einer These von Laplace den Bewegungszustand der Materie im großen wie im kleinen, also Ort und Impuls jedes einzelnen Atoms zu jedem Zeitpunkt kennt und der in der Lage ist, die Auswirkungen der Wechselwirkungen zu berechnen und damit die Zukunft zu bestimmen treibt hier mit Brad Pitt und Mitreisenden sein Spielchen. Tokio bei Nacht, Auftragskiller Lady Bug (Pitt) gesellt sich in den Bullet Train. Eine Stimme am Telefon instruiert ihn zu seinem Ziel, einen silbernen Koffer, den es in seinen Besitz zu bringen gilt. Doch so wie wir im Laufe des Films noch merken werden ist es gar nicht so einfach diesen Koffer auch zu behalten, wenn das Schicksal nicht auf deiner Seite weilt und es im Zug nur so von Menschen wimmelt, die ihn ebenfalls ihr eigen nennen möchten…

Leitchs Formel ist scheinbar simpel: ein Koffer, eine Unmenge an skurrilen Typen und einen an den Laplascen Dämon angelehnten Bösweicht Michael Shannon der alle Fäden in der Hand zu haben scheint, alle zusammen gefangen auf den Schienen des unvermeidlichen Schicksals. Neben Brad Pitt gesellen sich das Brüderpaar Auftragskillerpaar Lemon und Tangerine gespielt von Brian Tyree Henry und Aaron Taylor-Johnson sowie Babyface Joey King und Andrew Kojihinzu, die sich im Zug abwechselnd beschießen, bekämpfen, verbrüdern, betrügen und belügen. Die Balance aus Prügel-  stich und Schusssequenzen und Humorigen Dialog Szenen bis hin zu Slapstick artigen Einlagen fällt deshalb so angenehm auf, durch den Umstand des Wissen, das es da draußen Abseits von Netflix Produktionen, der letzten Jahre noch jemanden zu geben scheint, der es versteht dies auch wirklich witzig auf die große Leinwand zu bringen.

 

Dabei erweist sich einmal mehr die überragende Synchronisation als echter Glücksfall für das deutsche Publikum. Wobei im Sinne des Films nicht von Glück die Rede sein kann, es war vorherbestimmt das eben jene Synchro einen großen Teil des Spaßes des Films ausmachen würde. In der Tonalität in Pitts Synchro wird jedes Gemurmel oder minimalistische Wörtchen zum Genuss für die Ohren. Pitts Non verbale Kommunikation gepaart mit eben jener Synchro tragen zwar nicht im Alleingang den Film, dennoch kann man sagen das genau wie bei den Spencer/Hill Filmen die Arbeit an einer gelungenen Synchro sich immer auszahlt. Wenn in anderen Ländern sich nicht mal mehr die Mühe gemacht wird und über die Original Stimme einfach darüber synchronisiert wird sind wir in deutschen Gefilden geradezu verwöhnt. Wenn bei der deutschen Komödie gerne mal ein Furz oder ein Gespräch über Pipi und Kacka für den Humor sorgen soll, ist es in Bullet Train der Dialogwitz gepaart mit Situationskomik, der den Spaß bringt. Wenn sich Pitt mit Brian Tyree Henry im Silent Bereich eines Zuges kloppt dann tuen sie es nicht ausschließlich mit den Fäusten, die pointiertheit der Sätze fetzen gleichermaßen auf den Punkt.

Leitchs gutes Händchen wie auf engstem Raum gekämpft werden kann unter zu Hilfenahme von aller Hand Bord Utensilien ist im Film Jahr 2022 ein Segen. Musste man sich mit allerlei Filmen herumschlagen bei denen Szenen verwackelt, verschnitten oder schlichtweg der Überblick fehlte, jubelt das Actionherz bei Bullet Train in jeder Szene. Hier wackelt nichts, hier verliert das Auge niemals den Überblick um das Geschehen, hier ist der Härtegrad den Waffen angepasst. Fröhliches metzeln im Zugabteil geben sich ebenso die Klinke wie der gute alte Männerfaustkampf. Das entscheidenden das hier aber Leitch immer im Kopf behält ist die Unterhaltung inmitten der Fights. Schaut man sich seine Vita als Stunt Koordinator an kommt dieses handwerkliche Geschick nicht von ungefähr. Immer etwas Neues zeigen zu wollen und nicht zu langweilen gar redundant zu werden zieht sich durch den gesamten Film hinweg durch. Das alles tröstet dann auch locker darüber hinweg das so manche Szene zum Ende des Films nicht der beste CGI Effekt geworden ist.

Kein Ereignis ohne Ursache

Ist es beruhigend zu wissen das unser Leben nach den Grundprinzipien der "Mechanisierung des Weltbildes", die die Natur als Uhrwerk (Holbach) und den Menschen als Maschine (de la Mettrie) begreift funktioniert? Alles den Naturgesetzen unterworfen ist? Für Bullet Train kann die Antwort nur ja lauten. Daher ist auch der Schauplätz des Films mit Japan nicht zufällig gewählt sowie das Fortbewegungsmittel, in dem sich das Assemblee befindet. Ob es im echten Leben beruhigend ist oder man es damit hält, nicht an ein deterministisches Weltbild zu glauben muss jeder für sich selbst entscheiden. Leitch hat hier für sich entschieden das seine Figuren darüber nachdenken sollen, was Schicksal und Karma bedeuten. Pitts Charakter weißt gleich mehrmals im Gespräch mit seiner Auftraggeberin darauf hin, dass er durch seinen Psychiater zur Änderung seiner Einstellung zum Leben gelangt sei, was ihm sichtlich guttäte. An anderer Stelle wird deutlich, kulminiert im Charakter „Des Ältesten“ das es manchmal ein gewisses Alter benötigt um ins Schicksal vertrauen zu haben, das einen dorthin führen wird um seine Rache zu bekommen. In Bullet Train gilt die Kausalität als oberste Maxime, unter der sich alles unterzuordnen hat. Passiert das eine folgt das nächste. Die Moral am Ende von Bulett Train bündelt sich in der Gewissheit das das Schicksal in einer Fiji Wasser Flasche stecken kann.

Anders gesagt: Wer in Bulett Train eine spaßige, actiongeladene Bahnfahrt sieht kann damit ebenso glücklich werden wie jene die durch den Film dazu angeregt werden über Determinismus zu sinnieren. Der Determinismus geht davon aus das wir völlig, äußeren Einflüssen unterlegen sind. Wir sind in all unserem tun -determiniert, vorherbestimmt. Wir unterliegen als Mensch auch den Gesetzen der Physik und damit den Gesetzen der Kausalkette. Daraus folgt das wir keinen freien Willen haben. Freie Entscheidungen sind nur eine Illusion. Ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor wir werfen einen Würfel. Jede Seite des Würfels hat eine 1/6 Chance am Ende oben zu liegen. Würden wir den Würfel 10.000-mal werfen werden wir feststellen das jede Zahl ziemlich gleich oft vorkommt. Die Annahme der Wahrscheinlichkeit von 1/6 bestätigt sich. Betrachten wir jetzt doch jeden einzelnen Wurf genau, die Stärke des Wurfs kennen würden, die

Raumtemperatur, die Oberflächen Beschaffenheit des Tisches, die genaue Beschaffenheit des Würfels, den Abwurfwinkel beim Wurf und so weiter. Dann könnten wir in der Theorie kurz nach Abwurf berechnen, auf welcher Seite der Würfel landen würde noch bevor er landet, ergo wäre es kein Zufall mehr, sondern kann berechnet werden, wenn man alle benötigten Eigenschaften kennt. So wie es für den Würfel vorherbestimmt ist auf welcher Seite er landen wird so ist der Theorie nach auch alles andere in der Welt genau diesem Dogma unterworfen.

Was Bulett Train mit dem Beispiel des Würfel Experiment vereint ist die Tatsache das wir alle Parameter, Personen und Äußeren Umstände kennen. Demnach sich eine Kausalität der Ereignisse ableiten lässt bis hin zum finalen Akt. Physik auf Zelluloid. einfach verpackt in zwei Stunden Lauflänge. Vielleicht eine clevere Alternative für den Unterricht in stickigen Vorlesungsselen- mal öfter ins Kino zu gehen. Wissen muss nicht zwangsläufig langweilig sein, oder doch?