USA 2022 / 134 Min. / FSK 16 Jahren / Apple TV+
Regie Antoine Fuqua Drehbuch Bill Collage
Cast Will Smith / Ben Foster / Charmaine Bingwa / Gilbert Owuor
Das Übelste der Übel
In Antoine Fuqua Emancipation wird das Prinzip des Hoffens in den hell erleuchtenden Scheinwerferkreises seiner im amerikanischen Bürgerkrieg verorteten Geschichte gerückt. Vom passiven Hoffen ins aktive Handeln kommen. Doch kann man überhaupt sinnvoll handeln ohne zu Hoffen. Gegen jeden Widerstand, der einem entgegensteht und droht dich zu erdrücken, zu hoffen das alles sich zum Guten wendet? Doch der Reihe nach. In Emancipation wird die wahre Geschichte eines versklavten Mannes ( Will Smith) erzählt, dessen Bild der verstörenden weil so gefilmter Rückenansicht Antoine Fuqua veranlasste einen Spielfilm über dessen Flucht in die Freiheit, in den wirren des amerikanischen Bürgerkriegs zu drehen, zeitlich verortet als Lincoln die Proklamation zur Befreiung der Sklaven 1863 unterzeichnete. Getrennt von seiner Frau bleibt ihm nur die Hoffnung auf ein entferntes Ziel in Freiheit in naher Zukunft sollte er überleben und seinen Verfolgern entkommen. Der Beginn einer Kilometerlangen Odyssee durch Schmutz, Dreck, Kälte, Einsamkeit und Entbehrungen…
"Denk an etwas Schönes, an deine Lieben, es ist nur ein Job“ Will Smiths Charakter versucht dem einzelnen sowie der Gruppe Hoffnung und vor allem Sinn zu spenden. Denn ohne Hoffnung wird jeder Ort zur Nichtwelt oder wie auch Dante Alegrie in seinem Theaterstück „Die Göttliche Komödie“ am Eingang zum Höllentor vermerkte. „Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“. Doch innerhalb seiner Gruppe scheinen in Anbetracht der unmenschlichen Qualen nicht jeder überzeugt davon, dass Hoffnung etwas Gutes sei. So findet man in Fuqua Stück auch immer wieder Gegenpole, die auch bei Nietzsche eine Rolle spielen. Nietzsche beschreibt in Menschliches, Allzu menschliches die Hoffnung als das übelste aller Übel, weil „der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen“ und sie so letztlich die Qual verlängere. Schlussendlich kommen beide Pole ins Handeln und ergreifen bei sich bietender Gelegenheit, namentlich dem Gerücht um die Befreiung der Sklaven durch Lincoln, die Flucht durch die Sümpfe in die Freiheit.
Doch auch auf Seiten der Aufseher im Lager hat man etwas gefunden zur Legimitierung der Taten so werden immer wieder Bibelverse zitiert, die unter dem Schutzmantel der Göttlichkeit zur Rechtfertigung der Taten herhalten müssen. Zur Durchsetzung von Hoffnungslosigkeit oder gar um jede aufkommende Hoffnung im Keim zu ersticken schrecken die im Lager ansässigen „Wärter“ vor keiner Köpfung oder grausamen Demütigungen zurück. So passt das falsch verstandene Bild des Göttlichen auch in den Kontext der Geschichte auch das Dogma des Cappo der Smiths Charakter zynisch zuflüstert: „Ich bin dein Gott, du lebst nur weil ich es will“. Mit dem Ziel alle Hoffnung zu nehmen und somit auch die Sinnlosigkeit ins Handeln zu kommen.
Eine doppelte Ohrfeige
Emancipation erschien mit etwas Verzögerung einige Monate später als geplant. Gründe sind mannigfaltig doch einer Sticht hervor: Die Oscarohrfeige von Hauptdarsteller Smith während der Oscarverleihung an Chris Rock. Emancipation stellt somit die Rückkehr von Smith dar, wenn gleich nicht auf der Kinoleinwand, sondern auf Apple +. Doch die Rock´sche Ohrfeige dürfte sich auch als selbige für Smith erweisen. So bleibt ihm nicht weiter übrig als sich Nietzsches Worte zu Herzen zu nehmen. Denn die berichtigte
Hoffnung nach Emancipation, noch einmal einen Goldjungen einzuheimsen scheint endgültig versiegt. In Emancipation erleben wir eine reduziert spielenden Smith, der mehr durch Gestus und Mimik glänzt, weit weg vom Habitus früherer Tage. Was in der langen Film Vita, des ehemals gefeierten Blockbuster Dauer Kandidaten nie von Nöten war, kulminiert hier an diesem Punkt seiner Kariere indem er wahrlich versucht eine Person darzustellen, dabei lässt er seinen über die Jahre Stereotyp gewordenen Charakter gänzlich im Sumpf verschwinden. Doch genau dieser Umstand wird ihm wohl zur persönlichen Hölle gereichen, wenn er erkennen muss zu was ihn diese Rolle hätte führen können. Die Hoffnung auf einen weiteren Preis ist dahin.Die Farben der Natur, nicht die des Rechners
Dem gemeinen Zuschauer ist dieser Umstand wohl herzlich egal, solange er den vorliegenden Film genießen kann. Und wenn man so wie der Rezipient mit Green Screen Unfällen, wie so oft von Netflix produziert, mehr als genug traktiert wurde ala Red Notice, Gray Man oder auch Tod auf dem Nil (Disney Studios) dann empfindet man Freude über den Umstand, dass sich ein Filmemacher tatsächlich nochmal die Mühe macht an Original Schauplätzen zu drehen. Wohl Echten Dreck, echten Matsch an den Füßen hatte, durch Wälder und Sümpfe rannte und sich nicht zu schade war 15 Millionen US Dollar in den Wind zu blasen wegen kurzfristigen Drehortverlegungen die aufgrund des in Georgia verabschiedeten Election Integrity Act von Nöten war, weil er „nicht guten Gewissens eine Regierung wirtschaftlich unterstützen” könne, „die rückschrittliche Wahlgesetze erlässt, die darauf abzielen, den Wählerzugang einzuschränken. Diesen Umstand der Natur der Natur ausgeliefert gewesen zu sein, wie sein Protagonist samt Häschern atmet Emancipation in jeder Sekunde, die Welt, die hier erschaffen wurde ist jederzeit nicht nur mit dem Auge zu sehen, sondern mit dem Gefühl zu erleben, hier echte Menschen durch echtes Gelände Rennen zu sehen. Eine CGI Szene hat Fuqua dann doch noch im Köcher die es in sich hat, so ganz ohne geht es dann auch nicht.
Schwarz-Weiß und ein bisschen bunt
Reine Geschmackssache, anders wie beim Drehen vor echter Kulisse wird jedoch der extreme Farbfilter sein den hier Emancipation parat hält. In entsättigtem schwarz-weiß findet das ein oder andere Mal das menschliche Auge sich erst nach Sekunden zu recht. In Teilweise aufwendig inszenierten Drohnenaufnahmen von oben, in denen es nur so wuselt von Menschen, ist es nicht immer leicht den Überblick zu behalten über das Geschehen. Heutzutage muss man es fast alte Schule nennen, wenn ein Regisseur zudem, nicht jeden Kampf mit unzähligen Schnitten und Gewackel so wie unnötigen 360 Grad Drehungen verunstaltet und
sich stattdessen bewusst ist wie wirksam doch lange Kamerafahrten sind, die nicht verschnitten sind um den Überblick zu behalten. Fast wohltuend für den Betrachter erforschen wir Stück für Stück das grandiose Set Design der Sklavenranch mit Blick über die Schultern von Smiths Charakter, so erleben wir, wie sich seine neue Welt in Gänze darstellt. In den besten Momenten auch anfühlt. Darüber hinaus passiert dabei fast nebenbei und ohne viel Aufsehens dennoch so viel das man unbedingt nicht im Vorübergehen Emanciation schauen sollte, besser mit wachem Auge. Fuqua ist zurück! Und wer ihn kennt weiß das hier keine filmischen Kompromisse vom Zaun gebrochen werden. Emancipation hält sich nie lange auf, druckt aufs Tempo wo es passt, lässt aber auch Raum für viel Gefühl und Schmerz. Wenn Emancipation kulminiert in einer großen Schlachtszenerie bleibt in jeder Sekunde des Films der Überblick erhalten, die Kugeln fliegen reihenweise um die Ohren und dankenswerter Weise bleibt der ganz große Pathos am Ende aus, was nicht selbstverständlich so erwartbar war. Wie Konditionierung in diesen Zeiten funktioniert, dafür hat Fuqua ein erstaunlich gutes Gespür. So ist es nicht der Familienvater die Smith verrät und die Glocke lautet zur Signalisierung für die Häscher, sondern ein kleines Mädchen. Hier ist der Sklavenhass tief verwurzelt und hat Tradition.
Doch wo viel Licht den Zuschauer erfreut, bleibt etwas Schatten nicht aus. Zum einen bietet der ein etwas zu sehr auf Oscar getrimmten Look dieses Filters keinen Mehrwert wie etwa bei Schindlers Liste um bestimmte Farben besonders hervorzuheben wie etwa das rote Kleid des Kindes, denn hier geschehen „jene“ Farbkleckse meist wahllos und plötzlich im Geschehen. Manch ein Antagonist verkommt zur reinen Funktion, einfach um als weitere Häscher, die „Runner Runner“ zu jagen. Eine kleine Background Geschichte bekommt lediglich der Cappo der Jäger spendiert (fies Ben Foster), die sein Verhalten nachvollziehbar machen aufgrund seiner Väterlichen Konditionierung aber nicht entschuldigen. Letzten Endes bleibt zu sagen das einem Friedrich N. der Film nicht gefallen hätte, denn die Botschaft, die am Ende des Tages bleibt ist die der Hoffnung. Die Hoffnung auf das alles Gut werden wird sei das Leben auch noch so unmenschlich und die Hürden unüberbrückbar. Solange man Hofft. Gepaart mit der Möglichkeit den Sinnvollen Handels, ergibt sich die nüchterne Chance.
Ob sich nun Will Smith in Zukunft an Nietzsche halten sollte oder doch lieber an Dante kann hier nicht geklärt werden, nur der Umstand das er hier angekommen ist nach all den Jahren, an einem Punkt an dem nur noch das Handeln zählt in Form von weitermachen mit Rollen, die nicht das Konstrukt Smith zeigen, welches von Management und Erwartungen an ihn geschaffen wurde. wie er unlängst selbst zu Protokoll gab, sondern den ernsthaften Schauspieler Smith.