Director Darren Aronofsky / Writer Darren Aronofsky / Stars Jennifer Lawrence Javier Bardem Ed Harris / USA 2016

 

Vom Schmerz des Teilens

Am Anfang war das Feuer, aus dem Feuer entstand das Leben. Ein Leben, eine Zweisamkeit welche jäh erschüttert wurde als die Menschen kamen und das Teilen begann.

Darren Aronofsky (The Wrestler) erzählt eine Geschichte des Schmerzes und des Verlustes. Vom Schrecken der einseitigen Liebe, einstürzenden Hoffnungen, untergehenden Welten und legt den Finger immer tiefer ins offene Fleisch. In seinen besten Momenten kann Aronofsky ein Gemälde des Schreckens erschaffen das einen Inne halten lässt und erschaudern. Mother! ist weniger Unterhaltung, eher wie ein Besuch in einer Galerie: Man nimmt Platz. Vertieft sich in das Gemälde und hält Inne, bis sich einem die ganze Herrlichkeit offenbart. Aber man braucht Zeit, Geduld sehr viel Geduld.

 

Der Dichter (Javier Bardem) und seine Frau (Jennifer Lawrence) bewohnen in der Abgeschiedenheit der Wildnis ihr zu renovierendes Eigenheim, nach und nach passieren Dinge, die auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Nach Deutung der Symbolik aber in etwas verwandelt werden können das ganz nah beim Menschen selbst zu finden ist. Ein Gefühlszustand der für jeden erfahrbar ist, vielleicht schon mal harte Realität war. Als der Dichter einen Gast zum Übernachten herein bittet und daraufhin immer weitere Leute sich ins Haus einquartieren, schrillen bei dessen Frau schon die Alarmglocken. Die Vorboten des Horrors die im grandiosen Finale in einem abartigen Overkill die Hölle über die Frau des Dichters hereinbrechen lässt. Wobei der Horror nur wenig mit Blut oder von ihm verschmierten

Gesichtern zu tun hat. Er spielt sichwoanders ab. Im Kopf bei der Rückkopplung der Gedanken beim Zuschauer.Aronofsky zeigt wie Gefühle aussehen müssten wenn man sie auf eine Leinwand packen könnte. Die passenden Bilder fürs Poesie Album der Ohnmacht. Worte als Bilder. Unfassbar seine finale Zuspitzung der Dinge.

Nur ohne das Inne halten, ohne die Lust am Entschlüsseln der Deutung bleibt Mother! Ein wirres Machwerk ohne wirklichen Zusammenhang. Erst
das dechiffrieren der Ereignisse führt zu Erkenntnis das da monströses Kino geschaffen wurde. Beim Versuch das Ding zu entschlüsseln bleiben Spoiler nicht aus. Wer den Film nicht kennt sollte unbedingt folgende Reihenfolge beachten: erst Film dann weiterlesen. Der Dichter ist ein Egoist. Einem dem es nicht genügt was er hat und nach so viel mehr giert. Ein Welteneinreiser.

Du liebst es das ich dich liebe

Die ungebetenen Gäste am Anfang symbolisieren nichts anderes
als das Teilen des Ehemanns, welches seiner Frau so missfällt. Der Ruhm den ihm sein Schreiben eingebracht hat ist Teil seiner Persönlichkeit geworden. So darf man die ungebetenen Gäste weniger als Personen, sondern als Symbol des Teilens sehen, später auch als Abspaltung von ihr nachdem sie ihm „Inspiration genug“ war. Sie genügt ihm nicht allein, der Ruhm, die Anerkennung das sind die Dinge mit denen sie nicht konkurrieren kann. So ist es auch nicht verwunderlich als der Dichter sagt: Die Leute sie können mich wirklich verstehen. Und sie darauf
erwidert „aber ich liebe dich“. Anerkennung und Ruhm sind der Motor

des Dichters, sie ist nur die Inspiration. Immer wieder sieht man im Voranschreiten der Geschichte, im Haus merkwürdige Risse aus denen Blut herausquillt. Die Frau des Dichters hat den beiden ein Reich geschaffen, ein zu Hause. Je mehr ihr Mann sich entfernt und sich dem Ruhm hingibt je mehr Risse bekommt das Haus. Das Haus als Seele. Die Seelenwelt der Jennifer Lawrence. Noch expliziter wird es im finalen Akt als hundert von Menschen das Haus in Schutt und Asche legen und alle in die Brüche geht. Alles stirbt. Alles. Mit dieser radikalen Art des Films setzt Aronofsky die Seelenwelt frei. Immer weiter entfernt sich ihr Mann von ihr. Ihr Haus wird in Trümmern gelegt, das Haus das Heim, die Beziehung der beiden. Alles schwarz und grau und zerstört. Und das ist der Moment. Hier angekommen wird das Bild, welches Aronofsky zeichnet zum Meisterwerk. Ohne diese Deutung und einem Interesse des Nachdenkens beim Schauen bleibt mother jedoch wohl nur ein gewöhnliches Bild.